Die besten Klauseln aus Tarifverträgen, um in der EU den schutzbedürftigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu helfen - 21-11-2016

In den volatilen europäischen Arbeitsmärkten ist Flexibilität eine sehr gefragte Eigenschaft, weshalb insbesondere auf schutzbedürftige Arbeitnehmer/-innen in prekären Beschäftigungsverhältnissen geachtet werden muss. Hierbei handelt es sich um die Hauptempfehlung aus einem Experten-Meeting an der Universität von Amsterdam, das den Abschluss eines 2-jährigen Forschungsprojekts bildete – im Rahmen der Untersuchungen lag der Schwerpunkt auf geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden innerhalb der EU und innovativen Maßnahmen zur Reduzierung dieser Unterschiede.

Die Experten kamen zu dem Schluss, dass es sich bei schutzbedürftigen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bei mehr als der Hälfte um Frauen und/oder ethnische Minderheiten bzw. Migrantengruppen handelt. Für Angehörige dieser Gruppen fehlt es an beruflichen Perspektiven, Arbeitsplatzsicherheit und bezahlbaren Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Viele finden nur über Zeitarbeitsfirmen vorübergehende Beschäftigungen und sind gezwungen, gering qualifizierte, niedere Tätigkeiten auszuüben, insbesondere in den Bereichen Verkauf, Reinigungstätigkeiten und Pflege. Die Bezahlung ist gering. Aufgrund von anstrengenden Arbeitszeiten bleibt nur wenig Zeit für Erholung, schon gar nicht, um nach der Arbeit noch zu lernen. Zudem werden sie mit strukturellen Lohnunterschieden konfrontiert, was ihre Misere unüberwindbar zu machen scheint. Die Lohnunterschiede sind nicht nur geschlechtsspezifisch, sondern die Experten fanden heraus, dass hier alle im Arbeitsleben entrechteten Gruppen betroffen sind.

Auch im Bereich der sekundären Arbeitsbedingungen bestehen geschlechtsspezifische Unterschiede

Ein Teil der vom Projektteam durchgeführten Untersuchungen bezog sich auf eine bisher noch nicht durchgeführte Auswertung von Umfragedaten zu sekundären Arbeitsbedingungen. Die Daten konnten im Rahmen der permanenten Online-Umfrage der WageIndicator-Stiftung über die nationalen Websites in allen teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten gesammelt werden. Anhand der gesammelten Daten konnten gründliche Analysen erstellt werden von Bereichen wie Zusatzleistungen des Unternehmens, Prämien, Vergütungen, Rückerstattungen, Unterstützung in den Bereichen Kinderbetreuung und Altersvorsorge u. Ä. Der Schwerpunkt dabei lag auf dem Geschlecht, d. h. es wurde untersucht, ob die im jeweiligen Land vorherrschenden geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede sich auch in den im Land zu beobachtenden sekundären Arbeitsbedingungen wiederfinden würden. Allgemein wurde beobachtet, dass die sekundären Arbeitsbedingungen größtenteils ein Spiegelbild der in den einzelnen Arbeitsmärkten vorherrschenden geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede sind. Dennoch gibt es ein paar Ausnahmen, wie insbesondere in Slowenien und Polen, wo es den Frauen innerhalb der letzten Jahrzehnte gelungen ist, ihre männlichen Kollegen im Bereich dieser zusätzlichen Einkommensquellen einzuholen, und das sowohl in Form von Geld als auch in anderen Formen.

Bewährte Praktiken von Unternehmen aus den verschiedensten Ländern

Die Experten kamen zu dem Schluss, dass hier unter anderem Abhilfe geschaffen werden könnte, indem die in Tarifvertragsverhandlungen einbezogenen Teilnehmer/-innen Klauseln aus den mit ihren Arbeitgebern ausgehandelten Tarifverträgen öffentlich machen würden. Ein derartiger Austausch von bewährten Praktiken kann einen Beitrag leisten zu einer Verbesserung der Arbeitseffizienz, was insbesondere auch den schutzbedürftigsten Gruppen zugutekommt. Ein sehr gutes Beispiel für eine hervorragende bewährte Praktik ist die Integration einer Überwachungsklausel in jeden Tarifvertrag in Bezug auf die Implementierung besonderer Maßnahmen für Verträge, Gehälter, Beförderungen, Informationen, berufliche Zertifizierungen und die gemeinsame Verantwortung für Kinderbetreuung. In manchen Sektoren ist ein Überwachungsplan für die Implementierung dieser Klauseln, der sowohl von den Gewerkschaften als auch der Personalabteilung des jeweiligen Unternehmens kontrolliert wird, eine erwiesenermaßen bewährte Praktik. Im Abschlussbericht des Gender-Pay-Gap-Projekts ist eine Liste weiterer Klauseln für bewährte Praktiken aus unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten aufgeführt.

Datenbank zum leichten Auffinden der besten Klauseln

WageIndicator hat am Gender-Pay-Gap-Projekt mitgearbeitet, dessen grundlegende Ergebnisse hier aufgeführt werden. In diesem Zusammenhang wurde in den letzten Jahren eine Datenbank mit Tarifverträgen ins Leben gerufen und ausgearbeitet. Gegenwärtig findet man hier kommentierte, d. h. leicht auffindbare Klauseln, aus rund 700 Tarifverträgen und zahlreichen Sektoren sowie Ländern. Die Datenbank kann kostenlos über die nationalen Websites konsultiert werden und ist deshalb leicht zugänglich für Verhandlungspartner, sowohl seitens der Arbeitgeber – als auch der Arbeitnehmerorganisationen. Hier findet man die Klauseln und empfehlenswerten Praktiken, wie bereits weiter oben erwähnt. Zu den Engagements von WageIndicator zählt unter anderem, weiter an dieser Tarifvertrag-Datenbank zu arbeiten, sie zu speisen und ergänzen. Sie steht allen Betroffenen kostenlos zur Verfügung. WageIndicator ruft alle Interessenten auf, von ihnen abgeschlossene Verträge in diese Datenbank einzugeben.

Die Expertengruppe setzte sich zusammen aus Mitarbeitern der Universität Amsterdam, von Wageindicator, dem Niederländischen Gewerkschaftsbund (FNV), CCOO Servicios Spanien, MSZOZ Ungarn.

Link zu einem Beispiel von bewährten Klauseln in Tarifverträgen, mit Schwerpunkt auf Frauen, geschlechtsspezifischer Lohnunterschied und Kinderbetreuungslösungen.

Worum handelt es sich beim WITA-Gender-Pay-Gap-Projekt?

WITA GPG ("With Innovative Tools Against Gender Pay Gap" – mit innovativen Mitteln gegen den geschlechtsspezifischen Lohnunterschied, Januar 2015 - Dezember 2016) möchte wirkungsvoll dazu beitragen, den großen und andauernden Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern zu schließen. Dies wird durch EU-Mittel in Form eines so genannten PROGRESS-Programms mit der Bezeichnung Action Grant Nr. 4000004929 ermöglicht. Eine der Aktivitäten ist der Vergleich zwischen den Löhnen und Gehältern von Männern und Frauen auf der Ebene der Berufsgruppen und die Veröffentlichung der Ergebnisse auf den nationalen WageIndicator-Webseiten aller 28 EU-Mitgliedsstaaten und der Türkei, sowie die Verbreitung durch Pressemitteilungen.

Weitere Informationen zum WITA-Projekt finden Sie unter

Weitere Informationen zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden in Luxemburg finden Sie unter WageIndicator.lu

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